Die Walkenrieder Zisterziensermönche sind nicht die Väter der Oberharzer Wasserwirtschaft, waren aber führend im Harzer Hüttenwesen
Soeben erschien im Lukas-Verlag Berlin der 70. Jahrgang der Harz-Zeitschrift für das Jahr 2018, die für den in Wernigerode ansässigen Harz-Verein für Geschichte und Altertumskunde e. V. von Dr. Jörg Brückner herausgegeben wird. Die Zeitschrift hat eine lange Geschichte – sie erschien erstmals 1868, dem Gründungsjahr des Vereins.
Vereinsgeschichte
Im April 1868 wurde in Wernigerode der Harz-Verein für Geschichte und Altertumskunde e.V. gegründet. Schon von Anfang an sollte er die Geschichtsinteressen aller am Harz beteiligten Menschen und Orte bündeln. Seit 1868 erscheint auch die durch den Harz-Verein herausgegebene Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde e.V., seit 1948 Harz-Zeitschrift genannt.
Der Harz-Verein hat eine wechselvolle Geschichte, die zunächst sehr stark mit seinen prägenden Vorstandsmitgliedern verknüpft war. Bedeutende Vorstandsmitglieder waren u.a. der 1. Vorsitzende, Graf Botho zu Stolberg-Wernigerode, der gräfliche Bibliothekar und Archivar Eduard Jacobs, der Wernigeröder Amtsgerichtsrat Walter Grosse, der Ehrenvorsitzende Karl Wolfgang Sanders, der den Verein nach dem 2. Weltkrieg wieder ins Leben rief, der langjährige Kustos am Braunschweigischen Landesmuseum Christof Römer sowie viele weitere Persönlichkeiten, die weit über die Geschichte des Harzes hinaus von Bedeutung sind.
Der Harz-Verein für Geschichte und Altertumskunde e.V. arbeitet länderübergreifend in Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Thüringen – konsequenterweise ist er denn auch beim Vereinsregister Braunschweig registriert und unterhält seine Geschäftsstelle seit 2000 bei der Schloß Wernigerode GmbH. Der Verein gibt eine Monografien-Reihe heraus – die Forschungen zur Geschichte des Harzgebietes (kurz Harz-Forschungen). Diese bündeln immer wieder besondere Fragestellungen und Interessen, die das Harzgebiet betreffen. Gegenwärtig unterhält der Harz-Verein mehrere Arbeitskreise:
- zur Archäologie des Harzes, geleitet von Hans-Jürgen Grönke in Nordhausen,
- zur Landesgeschichte mit Kirchen- und Klostergeschichte, geleitet von Dr. Monika Lücke in Naundorf bei Halle,
- zur Montangeschichte, geleitet von Hans-Heinrich Hillegeist und Dr. Wilfried Ließmann in Göttingen,
- zur Rechtsgeschichte, geleitet von Dr. Dieter Pötschke in Leest bei Potsdam
- und zur Zeitgeschichte in der Verantwortung von Dr. Friedhart Knolle in Goslar in Verbindung mit dem Verein Spurensuche Harzregion e.V.
Der aktuelle Band beschäftigt sich mit historischen Fachthemen zahlreicher Orte aus dem gesamten Harz. Drei davon beschäftigen sich mit dem Südharz.
Zur Rolle der Klöster Walkenried und Neuwerk in Goslar im Bergbau und Hüttenwesen des Harzes
Fritz Reinboth und Friedhart Knolle haben zur Bedeutung der Klöster Walkenried und Neuwerk in Goslar im Bergbau- und Hüttenwesen des Harzes recherchiert. Ziel der Autoren ist es, die Einbeziehung des Klosters Walkenried in das UNESCO-Welterbe wissenschaftlich haltbar zu begründen anstelle der abwegigen Behauptung, die Mönche seien die Väter der Oberharzer Wasserwirtschaft, von deren Teichen nur der im Unteren Pfauenteich überstaute „Bavendik” mittelalterlich war.
Außer seiner umfangreichen Grangienwirtschaft war das Zisterzienserkloster Walkenried am Rammelsberger Bergbau beteiligt und neben dem Goslarer Kloster Neuwerk im Harzer Hüttenwesen führend. Als diese Geldquelle mit dem Niedergang des Rammelsberger Bergbaus um 1350 versiegte, blieben Teile der so großartig begonnenen Klausur dürftige Provisorien.
Die Autoren untersuchen neben Angaben zum Kloster Neuwerk besonders die Walkenrieder Hüttenplätze im Südharz (Wieda, Zorge, Brunnenbach) und am Westharz bei Münchehof. Neben die Auswertung von Urkunden und der älteren Fachliteratur traten Geländebegehungen zur exakten Lokalisierung der Hüttenplätze.
Bisher gab es Untersuchungen im Gelände vor allem für die Anlagen am Pandelbach bei Münchehof. Da sie urkundlich nicht fassbar sind, stützt sich ihre Datierung nur auf Vermutungen; zudem hat das Kloster in der Umgebung vorhandene ältere Hütten fertig übernommen. Die Teiche und Gräben am Pandelbach als Pionierleistung oder gar als Vorläufer der Oberharzer Wasserwirtschaft hinzustellen ist abwegig; die Wassergräben der ältesten überhaupt belegbaren Hütten des Klosters bei Wieda sind dagegen bisher gar nicht beachtet worden.
Das bedeutendste Erzeugnis einer Walkenrieder Hütte war zweifellos das bronzene Becken im Brunnenhaus des Klosters, das leider 1715 nach Salzdahlum verschleppt wurde und dort beim Abriss des Schlosses spurlos verloren ging. Eine erhaltene Parallele ist der Marktbrunnen in Goslar, dessen Provenienz allerdings unbekannt ist.
Die Autoren kommen letztlich zum Ergebnis, dass die Bedeutung des Klosters Walkenried für das Montanwesen des Westharzes neben seinen zeitweisen Anteilen an Gruben des Rammelsbergs vor allem im Hüttenwesen liegt. Teiche und Gräben zum Betrieb der Blasebälge der Kupferhütten waren damals allerdings Stand der Technik. Das heutige Oberharzer Graben- und Teichsystem ist ohnehin erst entstanden, als es längst kein Kloster Walkenried mehr gab. Ältere Anlagen wie die in Urkunden genannten „Agetuchten” am Rupenberg hat Walkenried nur übernommen.
Am Rammelsberg waren Walkenrieder Laienbrüder organisatorisch beteiligt. Dass und wieweit der Ausbau der Wasserwältigung aber auf diese Laienbrüder zurückgeht – z. B. mit dem Bau des Feuerzäher Gewölbes – ist völlig hypothetisch. Die Entwicklung der bergmännischen und städtischen Wasserwirtschaft der Stadt Goslar begann bereits im 10. Jahrhundert, also lange vor der Gründung des Klosters Walkenried. Goslar baute sukzessive ein komplexes System von Wasserreisen auf.
Von der Gewehrfabrik zur Reckhammer- und Feilenfabrik auf Oderfeld bei Lauterberg
Eine Südharzer Momentaufnahme der Industriegeschichte hat Hans-Heinrich Hillegeist verfasst – sein Beitrag lautet „Von der Gewehrfabrik zur Reckhammer- und Feilenfabrik auf Oderfeld bei Lauterberg“.
Mit dieser Südharzer Momentaufnahme, die der Autor weitgehend aus Akten im Bergarchiv Clausthal zusammengestellt hat, wird zunächst die Vorgeschichte der Herzberger Gewehrfabrik aufgezeigt: Dem Kurfürstentum Hannover ging es darum, eine eigene Produktionsstätte für Gewehre und Bajonette in der Nähe einer Eisenhütte zu besitzen. Zunächst bot sich der Hüttengewerke Johann August Keydel an, auf seiner Eisenhütte in Lonau Gewehre herzustellen. Um 1734 begann er, die notwendigen Gebäude zu errichten und Fachleute aus Brandenburg, vom Thüringer Wald und aus Belgien anzuwerben. Da er nicht kostendeckend produzieren konnte, endete diese Lonauer Gewehrfabrikation bereits 1736 mit einem totalen Ruin.
Ein Neuanfang startete die Kriegskanzlei in Hannover auf dem Oderfeld zwischen Lauterberg und Barbis. 1738 waren die notwendigen Gebäude vollendet, so dass dort in unmittelbarer Nähe zur Königshütte bei Lauterberg, von wo das notwendige Eisen geliefert wurde, mit der Gewehrherstellung begonnen wurde. Damit wollte das Kurfürstentum unabhängig vom teuren Einkauf aus dem Thüringer Wald werden.
An Gebäuden wurden errichtet: ein Wohnhaus, die Fabrik mit Rohrschmiede, Bohrmühle und Schleifmühle, ein Kohlenschuppen, der Backofen und ein Schießhaus. Aus der ausgewerteten Akte aus dem Bergarchiv Clausthal konnten die genauen Angaben, Maße usw. dieser Gebäude ermittelt werden. Zur Ernährung der Fachleute wurden Gärten zur Verfügung gestellt. Für die Herstellung der Gewehre konnte die Wasserkraft der Oder mittelst eines Hüttengrabens genutzt werden. Bei den Fachleuten trat jedoch schon bald eine massive Unzufriedenheit ein. Sie beklagten sich über die primitiven Wohnverhältnisse und zu geringen Lohn. Nach der Pleite in Lonau führten dann verschiedene Gründe in Oderfeld zu einem zweiten schnellen Ende der Produktion. Ein Neuanfang war dann erst in Herzberg erfolgreich.
Der neue Oberfaktor (Verwalter) der Königshütte, Johann Arnold Bertram machte seinen Bruder Johann Albert Bertram in Neuwied auf die leer stehende Anlage auf Oderfeld aufmerksam. Ein Pachtvertrag kam mit Hannover zu Stande, so dass der neue „Entrepreneur“ 1741 mit einem neuen Reckhammer nach Rheinländischer Art und einer Feilenhauerei beginnen konnte. Die Clausthaler Zehntkasse gewährte ihm einen Kredit bis max. 500 Reichsthaler ein. Zum Schutz der in den Fürstentümern Calenberg, Göttingen und Grubenhagen arbeitenden Huf-, Nagel- und Klein-Schmieden durfte Bertram jedoch kein acht- und vierkantiges Klein-Eisen, auch keine Spanischen Bänder und andere Sorten in den Orten in diesen Landstrichen anbieten. Daher musste er für den Absatz Abnehmer weiter außerhalb dieses Gebiets ermitteln. Die hohen Ausgaben führten für den neuen Unternehmer J.A. Bertram zu einer Überziehung des Kredits, so dass sein Bruder auf der Königshütte vom Bergamt in Clausthal eine Ermahnung erhielt, besser auf die Ausgaben seines Bruders zu achten. Aus der Antwort des Jungunternehmers geht hervor, dass er in Bremen und Friesland wegen des Absatzes gewesen sei und dort mit wohlhabenden Kaufleuten Geschäfte abgeschlossen hätte, jedoch seien durch seine Bautätigkeiten und durch das Heranführen von Fachleuten aus dem Rheinland erhebliche Mehrkosten entstanden. Seine Kunden, die Waren erhalten aber noch nicht bezahlt hatten, wohnten in Bremen, Hamburg, Leipzig, Hannover, Kassel und Erfurt.
Trotz mancher positiver Ansätze gelang es Johann Albert Bertram nicht, auf Dauer auf Oderfeld Gewinn zu erzielen, so dass im März 1743 der auf drei Jahre abgeschlossene Pachtvertrag mit der Kammer in Hannover aufgehoben wurde.
Die Rolle der NSDAP und der staatlichen Behörden in Bad Sachsa am Südharz 1931/32
Markus Jaeger schließt die Reihe der Hauptbeiträge des Bandes mit einer Untersuchung zur Rolle der NSDAP und der staatlichen Behörden in Bad Sachsa am Südharz 1931/32. Nachdem die NSDAP bei den Reichstagswahlen 1930 in Bad Sachsa mit 31,9 % der Wählerstimmen zur stärksten Partei geworden war und damit den endgültigen wahlpolitischen Durchbruch geschafft hatte, war das Jahr 1931 für die NSDAP-Ortsgruppe von einer Auseinandersetzung mit den städtischen und regionalen Behörden gekennzeichnet. Im Zentrum dieses Konflikts stand die Versammlungspraxis der Nationalsozialisten unter ihrer unumstrittenen Führungsfigur, dem Ortsgruppenleiter Heinrich Keiser. Da die Partei wiederholt gegen behördliche Auflagen verstieß und in ihren öffentlichen Versammlungen immer wieder Rechtsverstöße vorkamen, sahen sich die lokalen wie regionalen Behörden dazu veranlasst, Heinrich Keiser als Versammlungsleiter der NSDAP nicht länger zuzulassen. Darüber kam es zu langwierigen Auseinandersetzungen zwischen Keiser, dem Bad Sachsaer Bürgermeister Dr. Griepentrog, dem Landrat in Nordhausen und dem Regierungspräsidenten in Erfurt. Sollte Keiser als zentrale Führungsfigur der Bad Sachsaer Nationalsozialisten auf diese Weise politisch kaltgestellt werden, stand die gesamte Versammlungspraxis der NSDAP-Ortsgruppe und damit die weitere Durchsetzung der Partei vor Ort auf dem Spiel.
In diesen Auseinandersetzungen legte Keiser ein Verhalten an den Tag, das sich zwischen Impertinenz und Anpassungsbereitschaft bewegte und jeglichen Respekt gegenüber den staatlichen Behörden vermissen ließ. Indem er auswärtige Nationalsozialisten an seiner Stelle als Versammlungsleiter vorschlug, gelang es ihm, die politische Aktionsfähigkeit der NSDAP-Ortsgruppe zu erhalten. Sein von Flexibilität und Ausdauer geprägtes Vorgehen bewegte die lokalen und regionalen Behörden – seiner zahlreichen Eingaben und Einsprüche überdrüssig – schließlich dazu, ihre Vorbehalte gegen Keiser als Versammlungsleiter mehr und mehr zurückzunehmen. Dieses Zurückweichen der staatlichen Behörden gegenüber der NSDAP war nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass sich die politische Stimmung in Bad Sachsa immer mehr zugunsten der Nationalsozialisten veränderte, die in der Stadt über eine stetig wachsende Zahl von Mitgliedern und Sympathisanten verfügten.
Auf diese Weise konnte sich Keiser trotz vereinzelter Rückschläge schließlich durchsetzen und seit Anfang 1932 wieder uneingeschränkt als Versammlungsleiter der NSDAP in Bad Sachsa fungieren. Dadurch gelang es ihm, seinen Status als lokaler Parteiführer zu festigen und die Aktions- und Durchsetzungsfähigkeit der NSDAP-Ortsgruppe in der Folgezeit weiter auszubauen. Das sollte sich besonders in den Wahlkämpfen des Jahres 1932 zeigen, die nicht nur von einer gesteigerten Propagandatätigkeit der Nationalsozialisten gekennzeichnet waren, sondern auch von einem zunehmenden Terror der SA. Spätestens mit den Wahlerfolgen von 1932, bei denen die NSDAP in Bad Sachsa die absolute Mehrheit erreichte, hatten sich die Nationalsozialisten endgültig als dominierende politische Kraft durchgesetzt.
Weitere Beiträge
Ein weiterer Aufsatz zur Harzgeschichte stammt von Tobias Gärtner und beschäftigt sich mit spätmittelalterlicher Keramik aus Quedlinburg. Joachim Stüben hat über die Vorlagen für Luthers Editionen der Theologia Deutsch und einen unbekannten Sammelband aus der Bibliothek des Klosters Himmelpforten bei Wernigerode gearbeitet. Rudolf G. A. Fricke liefert einen Forschungsbericht über den aus Braunschweig stammenden Carl Geitel, den er als „Forstwirt, Politiker und Gelegenheitslyriker“ charakterisiert.
Berichte zu Veranstaltungen des Harz-Vereins und Rezensionen runden den Band ab. Er ist mit zahlreichen Abbildungen illustriert, hat einen Umfang von 156 Seiten und kann über den örtlichen Buchhandel oder den Lukas-Verlag http://www.lukasverlag.com bestellt werden.
Harz-Verein für Geschichte und Altertumskunde e.V.
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Dr. Friedhart Knolle
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